Die 60er

Wichtige Stationen:

1960
21.06. Premiere: „Volpone“ von Ben Jonson nach Stefan Zweig u.a. Maßgebliche Gestalter waren u.a. Pit Baumüller, Helmuth Kaufmann, Werner Kubierschky.
Aus einer Kritik in der Süddeutschen Zeitung vom 27.06.1960:
„Wenn zwischen Stück und Darbietung in diesem Fall […] eine gewisse Divergenz zu spüren war, dann lag das weniger an der mangelnden Assimilation der Gliederpuppen und der delikat ausgeleuchteten Szenerie, an dem theatralischen Vorgang als daran, daß die Hauptperson dieser derb realistischen Erbschleicher-Komödie, der misanthropische Todspieler Volpone, bei aller Typisierung seines Charakters ins Füchsische, am Ende doch nur als Individualität und nicht als Typus zu fassen ist. Die Dramaturgen des Kleinen Spiels […] versichern […] glaubhaft, die scharfen Züge der mit Tiernamen versehenen Gestalten, ihre typisierende Trockenheit lege die Darstellung durch Marionetten nahe. Richtig: Man hätte sich Erscheinungen wie den grazilen Mosca, den geierschnäbligen Notar und den Capitano Leone, das hirnlose Löwenhaupt, kaum köstlicher stilisiert denken können, als es den Puppenbildnern des Kleinen Spiels gelang.“

1961
23.01. Das Fernsehmusical „Eine Trompete für Nap“ (Regie: Alexander Arnz) wird ausgestrahlt. Damit sollte versucht werden, „speziell für das Fernsehen eine neue Verbindung von Grafik- und Marionettenszenen zu erproben, die durch exakte Übereinstimmung von Grafik, Erzähltext, Musik und Marionettenspiel zu einer Einheit zusammenschmelzen“.

18.05. Premiere: „Maipu oder Die belohnte Treue“ von Anselm van Heuveldorp und Josef Gurgel (alias Tankred Dorst und Wilhelm Killmayer/Musik). Maßgebliche Gestalter waren u.a. Ernst Hofmeister, Beppo Ott.
Aus einer Kritik in der Süddeutschen Zeitung vom 23.05.1961:
„Gewiß, die tropisch bunte Szenerie und das Ensemble der großlippigen und flatterohrigen Negerpuppen sind überaus kunstreich und köstlich geraten. Auch übertrifft die Synchronisation von Puppenführung und rhythmisch-melodiösem Getöne fast alles, was den Kleinen Spielern im musikalischen Genre bisher gelang. Aber mir scheint doch, daß die Verfasser der Texte es mit der afrikanischen Lust am Palaver zu weit getrieben haben. Ihr lieben Kerle, quasselt nicht soviel – bewegt euch lieber! […] Das Bravourstück allerdings leistete an diesem Abend der singende Meergott Neptun des bewegten Vorspiels, der zwar als Handpuppe nicht eigentlich dem Marionettenreich angehört, doch dank seiner dramatisch-musikalischen Potenzen jeden Wagnersänger vor Neid verstummen ließe.“

10.10. Bodo Nibbe wird Leiter des Kleinen Spiels.

1962
02.08. Premiere: „Schnöde Idyllen“ von Carlos Larra, Eugène Ionesco und dem drei Pantomimen des Ensembles („Der harte Kampf“, „Die gute Tat“, „Das ewig Männliche“). Maßgeblicher Gestalter war u.a. Hermann J. Bauer.

Herbst Bodo Nibbe und Eberhard Böhringer leiten das Kleine Spiel gemeinsam.

1963
15.10. Wulf Nibbe wird Leiter des Kleinen Spiels.

1964
23.04. Premiere: „Die Geschichte von Aucassin und Nicolette“ von Tankred Dorst mit Musik von Wilhelm Killmayer. Dies ist das letzte Stück Dorsts für das Kleine Spiel. Maßgeblicher Gestalter war u.a. Hermann J. Bauer.
Aus einer Kritik in der Süddeutschen Zeitung vom 27.04.1964:
„Zum zweitenmal in seinem Puppenleben versucht sich Münchens Kleines Spiel an der unsterblich süßen Singe-Mär von Aucassin und Nicolette. Der Text ist frisch toupiert. [Man] hat ihn höchst künstlich in eine halbgefrorene Form gebracht, die den romantischen Effekt Desillusionierung und den konkreten Stil der allerneuesten Prosasachlichkeit verbindet. […] Das ziere Liebespaar hat hübsches Menschenmaß. Die anderen Marionetten sind teils von karikiert monströsem Blau, teils malerisch ornamental. Viele Farben. Die Szenenbilder geben sich kollagenartig, leuchtkräftig, plakativ. […] Poetische Stimmungsmache meidet die Inszenierung. Verzauberung scheint unerwünscht. Statt dessen: Zaubertricks. Diese aber, wo sie zur Perfektion gedeihen, wie in dem azurblauen Intermezzo mit den (lateinisch) singenden Delphinen, schaffen dann doch gleichsam aus dem Hinterhalt eine ganz altmodische Illusionslust.“

1965
13.09. Das Kleine Spiel bekommt den mit 1000 DM dotierten Schwabinger Ehrenpreis 1965 verliehen:
„Das Kleine Spiel erhält für seine großen Verdienste um das kulturelle Schwabing den Schwabinger Ehrenpreis 1965.“

1966
31.05.–09.06. Das Kleine Spiel nimmt am IX. UNIMA-Kongress/ Internationales Puppenspielfestival München mit „Aucassin und Nicolette“ (02.06.) und „Nap“ (03./08.06.) teil . Beteiligt sind Puppenbühnen aus 17 Ländern.

05.07. Premiere: „Ikarus“ von Christoph Buggert
Aus einer Kritik in der Süddeutschen Zeitung vom 07.07.1966:
„Christoph Buggert hat dieses moderne Liebesmärchen als Hörspiel mit dem Titel ‚Ikarus‘ konzipiert, und als solches wurde es vom Bayerischen Rundfunk gesendet, aber es steckt in diesem Sujet auch – und das haben die Puppenspieler vom Kleinen Spiel richtig erkannt – eine legitime Aktion für Marionetten. Sicherlich ist in Buggerts Funkerzählung nicht jeder Einfall poetisch, es wird bisweilen recht bedenkenlos drauflosparliert […]. Trotzdem: Das […] Team des idealistischen Schwabinger Liebhabertheaters ist damit auf bezaubernde Weise fertig geworden. Wie anmutig waren die Ansprüche erfüllt, die das naiv-phantasievolle Spiel an Szenenbilder und Puppenführer stellt. […] Wieder hatten sich die Puppenbastler überraschende Gags einfallen lassen, um dem Spielchen die graziöse Leichtigkeit einer Seifenblase zu geben. Das Premierenpublikum zeigte sich entzückt.“

Herbst Ulrich Dittmann wird Leiter des Kleinen Spiels.

1967
Herbst Pit Baumüller und Christoph Buggert leiten das Kleine Spiel gemeinsam.

1968
28.11. Premiere : „Mann ist Mann“ von Bertolt Brecht. Maßgebliche Gestalter waren u.a. Diethard Klante, Martin Dörfler, Christoph Buggert. Ernst Hofmeister schickt ein Telegramm aus den USA: „Man is Man, but Woman remains Woman, Good Play, Yours Ernst.“
Aus einer Kritik der Süddeutschen Zeitung vom 02.12.1968:
„Der Einfall ist ergiebig, Brechts Lustspiel […] anstatt mit Schauspielern mit Marionetten aufzuführen. […] Die Marionetten entmaterialisieren die Figuren ein bißchen, machen sie leichter und poetisieren zugleich das abstrakte Denkmodell. […] Je weiter der Umbau des friedfertigen, nur einen Fisch begehrenden Packers in eine perfekt funktionierende, grausame Kriegsmaschine fortschreitet, um so furchterregender, monströser erscheinen die zierlich artistischen Bewegungen der Puppen, um so transparenter wird das Exempel, um so zwingender die These. Nun hat das Stück […] noch ein paar zusätzliche Aspekte, die nicht unwichtig, in der ansonsten köstlichen Inszenierung […] aber leider getilgt sind durch Textkürzungen. […] So wirkt die Aufführung zuweilen etwas eng, etwas beschränkt. Das Publikum stieß sich nicht daran und klatschte freundlich und anhaltend, womit es sicher recht hat.“

1969
Repertoirebetrieb/„Krise“

Juni Harry Täschner und Peter Kaufmann leiten das Kleine Spiel gemeinsam.